Das Weltall, unendliche Weiten – die Anfangszeilen von Star Trek klingen vielversprechend. Das Fermi Paradoxon klingt deswegen umso rätselhafter. Denn wenn das All wirklich unendlich groß ist, wie wahrscheinlich kann es dann sein, dass die Erde der einzige Planet ist, auf dem fortgeschrittenes Leben existiert? Wohl sehr gering, oder um bei dem Begriff zu bleiben: unendlich gering.

Zumindest auf den ersten Blick. Der italienische Physiker Enrico Fermi (1901 – 1954) wollte es genauer wissen und stellte die Frage: Wo sind alle?

Die Tatsache, dass wir trotz unseres technologischen Fortschritts in einem unendlich großen Universum leben, aber bislang keinen Hinweis auf außerirdisches Leben erhalten haben, wurde als das Fermi Paradoxon bekannt. Denn eigentlich sollte es anders sein: Selbst wenn die Erdlinge es noch nicht wirklich über ein paar Mondbesuche hinausgeschafft haben und SETIs Bemühungen eher ein Schuss ins Blaue bleiben, müssten wir doch längst von einer anderen, klügeren Zivilisation entdeckt worden sein.

Aber vielleicht ist das sogar der Fall: Die möglichen Antworten auf das Fermi Paradoxon sind sehr vielfältig und gerade deswegen so spannend. Im Folgenden deswegen der Blick auf einige mögliche Szenarien, in denen wir vielleicht, vielleicht aber auch nicht die einzigen (klugen) Lebewesen im gesamten Universum sind.

 

Die Drake Gleichung als Basis

Die Basis für Fermis Problem ist die Drake Gleichung. Diese Gleichung wurde vom US-amerikanischen Astrophysiker Frank Drake 1961 vorgestellt und soll dabei helfen, die Zahl der außerirdischen Zivilisationen zu bestimmen. Sie lautet:

N = R_* \cdot f_p \cdot n_e \cdot f_l \cdot f_i \cdot f_c \cdot L \!\,

Die Drake Gleichung ist mathematisch keineswegs kompliziert. Sie ist lediglich ein Produkt von sieben Faktoren und sieht deswegen etwas anstrengend aus. Ist sie aber nicht, denn alle Faktoren sind leicht verständlich:

N Anzahl der außerirdischen Zivilisationen
R* mittlere jährliche Sternentstehungsrate in unserer Galaxie
fp Anteil der Sterne mit Planetensystem
ne Anzahl der Planeten in der Ökosphäre mit geeignetem Abstand vom Stern
fl Anteil an Planeten mit Leben
fi Anteil an Planeten mit intelligentem Leben
fc Anteil an Planeten mit Interesse an interstellarer Kommunikation
L Lebensdauer einer technischen Zivilisation in Jahren

 

Alle sieben Faktoren der Drake-Gleichung sind Unbekannte, sodass das Ergebnis immer nur eine Schätzung sein wird. Es handelt sich also um ein Verfahren, bei dem viel Unwissen durch möglichst gute Schätzungen ausgeglichen wird, sodass am Ende ein Näherungswert herauskommt, mit dem man etwas anfangen kann.

Interessanter Zusammenhang: Die Faktoren der Drake-Gleichung können mithilfe der Fermi Approximation beziffert werden. Enrico Fermi war offensichtlich ein kluger Mann, was nicht nur durch den Physik-Nobelpreis 1938 untermauert wird, sondern auch durch die heuristische Methode, die er entwickelt hat. Das bekannteste Beispiel für eine Fermi Schätzung lautet: Wie viele Klavierstimmer gibt es in Chicago? (Die Antwort gibt es hier, aber das ist ein anderes Thema)

Diese Methodik lässt sich auch auf die Spielwiese namens Universum übertragen. Doch da jeder einzelne Faktor ganz frei nach gutem Gewissen eingesetzt werden kann, kommt jeder Wissenschaftler zu einem anderen Ergebnis. Die möglichen Ergebnisse für N decken also eine große Spannweite ab: Während der pessimistische Physiker auf ganze 10 außerirdische Zivilisationen kommt, bekommt sein optimistischer Nachbar satte 10.000 heraus. Auch höhere Zahlen sind möglich, allerdings tendiert die Wissenschaft heutzutage eher zu einer niedrigen Zahl.

Das wirkt umso erstaunlicher, da die einzelnen Faktoren durchaus riesig klingen. Laut einer Auswertung der Daten des Kepler-Teleskops, das permanent auf der Suche nach außerirdischem Leben ist, wird die Zahl der erdähnlichen Planeten auf 8,8 Milliarden geschätzt.

Dieses Bild gibt einen guten Eindruck davon:

Observatorium

Sterne zählen für Fortgeschrittene: unendliche Möglichkeiten.
ESO)

Allerdings lebt lange nicht auf jedem erdähnlichen Planeten eine intelligente Zivilisation. Die Drake Gleichung zeigt, auf welche Faktoren es noch ankommt und Faktoren wie fc oder fi werden üblicherweise im tiefen Dezimalbereich beziffert.

Die verbreitete Aussage, es gebe im Universum mehr Sterne als Sandkörner auf der Erde, gilt inzwischen übrigens als überholt. Diese Beispielrechnung zeigt, warum.

Fest steht dennoch, dass viele Menschen Fermis Verwunderung teilen und eine Erklärung dafür suchen, warum wir immer noch einsam und alleine im All leben.

Deswegen jetzt zu den Theorien. Jede einzelne Theorie ist eine von vielen möglichen Erklärungen dafür, warum es bislang keinen Beweis außerirdischen Lebens gab. Wie glaubhaft die einzelnen Antworten auf Fermis Frage sind, darf jeder für sich beurteilen.

#1 – Seltene Erde: der Klassiker unter den Fermi Antworten

Viele Wissenschaftler sind der Meinung, dass unsere Exklusivstellung im Universum gar nicht so unwahrscheinlich ist. Schließlich ist das intelligente Leben recht anspruchsvoll und kann nur unter bestimmten Bedingungen entstehen:

  • ideale Distanz zu einem Zentralstern (= Sonne): nicht zu warm, nicht zu kalt
  • Atmosphäre mit Sauerstoff und Stickstoff
  • Wasser – bekanntermaßen die Voraussetzung für alles Leben
  • Strahlungsschutz, wie ihn das Magnetfeld der Erde bietet (möglich durch rotierenden Kern)
  • eine feste Oberfläche, was Gasplaneten wie Jupiter oder Saturn ausschließt

Das Fehlen von nur einer dieser Eigenschaften reicht bereits aus, um die Entwicklung von fortschrittlichem Leben auf einem Planeten im Keim zu ersticken (wortwörtlich). Denn auch wenn eine fortschrittliche Spezies in der Lage sein sollte, eine dieser Hürden jemals zu überwinden, so müsste sie sich erst einmal dorthin entwickeln – vom Mikrobenstatus bis hin zum einigermaßen intelligenten Leben. Und das ist nur unter den genannten Bedingungen möglich.

Dazu kommt, dass diese Entwicklung extrem lange dauert. Beispiel Erde: Unser blauer Planet ist 4,6 Milliarden Jahre alt, doch es dauerte viele hundert Millionen Jahre, bis überhaupt die ersten primitiven Organismen entstanden. Bis zu den Vorgängern des modernen Menschen vergingen sogar mehrere Milliarden Jahre und von dort an dauerte es weitere zehntausende Jahre, bis überhaupt das erste Lagerfeuer angezündet wurde.

In dieser langen Zeit kann viel passieren: Sowohl durch interne Vorgänge (etwa durch Räuberspezies) als auch durch externe Faktoren (Asteroiden-Einschläge, Gammastrahlen-Ausbrüche) kann der Fortschritt nicht nur gebremst, sondern ausgelöscht werden. Der Kreislauf würde dann im besten Fall wieder von vorne beginnen und es ist fraglich, ob jemals intelligentes Leben entstehen wird (siehe #Filtertheorie – später im Text).

Die Antwort wäre also ganz einfach: Wir haben keinen Kontakt zu Außerirdischen, weil es keine gibt.

ZP

 

#2 – Zu große Distanzen: Fernbeziehung ohne Zukunft

Schon eine Fernbeziehung innerhalb Deutschlands scheitert oft an der Distanz. In galaktischen Dimensionen bekommt der Begriff Distanz allerdings eine ganz neue Bedeutung. Wer also bislang dachte, es wäre nervenaufreibend, jedes Wochenende zwischen Köln und Hamburg oder München und Berlin zu pendeln, der kann beruhigt sein, denn diese Strecke ist nicht mehr als ein Katzensprung.

Die wohl einfachste, naheliegendste und glaubhafteste Antwort auf Fermis Frage lautet deswegen: Es gibt andere intelligente Spezies, aber wir sind einfach zu weit voneinander entfernt. Dazu benötigt man einen Blick auf die zeitlichen und räumlichen Dimensionen. Ganz grob zusammengefasst gilt nämlich Folgendes:

  1. Das Universum ist unvorstellbar groß.
  2. Es dauert sehr lange, bis sich intelligentes Leben entwickelt, und die Zeitspanne des Universums ist unvorstellbar groß.
  3. Reisen durchs All dauern unvorstellbar lange, selbst für relativ kurze Distanzen.

Mit ein paar einfachen Zahlenspielen lässt sich dann berechnen, warum selbst unsere nächsten Nachbarn praktisch unerreichbar weit weg sind.

Angenommen, die nächste intelligente Zivilisation sei 10.000 Lichtjahre von uns entfernt, was in galaktischen Maßstäben recht nah wäre. Mit dieser Entfernung würde sie sich nicht einmal zwangsläufig in einer anderen Galaxie befinden – alleine unsere Milchstraße misst im Durchmesser ungefähr 100.000 Lichtjahre.

Weiter angenommen, diese Zivilisation ist uns technologisch um mehrere hunderttausend Jahre voraus: Dann kann sie vermutlich problemlos zwischen den Planeten in ihrem Sonnensystem pendeln, wahrscheinlich sogar darüber hinaus.

Bleibt die Frage nach der Reisegeschwindigkeit eines solchen Schiffes. Die NASA-Sonde New Horizons fliegt mit knapp 50.000 km/h durchs All. Da unsere Nachbarzivilisation deutlich fortgeschrittener ist, gestehen wir ihr das 200-fache Tempo zu, also 10 Millionen km/h, was schon sehr schnell wäre. Umgerechnet sind das 2.770 km/s. Die Lichtgeschwindigkeit beträgt jedoch 300.000 km/s. Das Tempo des Raumschiffs liegt also bei weniger als 0,01 Lichtgeschwindigkeit.

Ergebnis: Um mit diesem Tempo die 10.000 Lichtjahre bis zur Erde zu absolvieren, bräuchte das Alien-Schiff mehr als 1 Million Jahre. Vorausgesetzt natürlich, es steuert aus irgendeinem Grund geradewegs und ohne Umweg auf die Erde zu, was keinesfalls logisch wäre.

Außerdem zu beachten: Die angenommene Distanz von 10.000 Lichtjahren entspricht gerade einmal 0,0002 Prozent der Größe des sichtbaren Universums. Es ist also extrem wahrscheinlich, dass die nächstgelegene Zivilisation deutlich weiter entfernt liegt.

Das gilt insbesondere für fortgeschrittene Zivilisationen, die bereits eine Künstliche Superintelligenz entwickelt haben. Schon ein herkömmlicher Spiele-PC hat mit der Hitzeentwicklung  zu kämpfen, ein kleines Smartphone wird bei Beanspruchung auch recht warm. Dementsprechend wichtig ist die richtige Kühlung bei den gigantischen Dimensionen einer Künstlichen Superintelligenz: Modelle wie Matroshka-Sphären berücksichtigen diesen Punkt bereits und klar ist, dass es in den Randbereichen der Galaxie kühler ist als in den dichtgedrängten inneren Zonen. Eine Zivilisation mit Super-KI könnte deswegen schon längst weit weggezogen sein und die Distanz wäre extrem groß.

 

So oder so: Selbst bei den angenommenen 10.000 Lichtjahren wären unsere nächsten Nachbarn mit ihrer fortgeschrittenen Technologie noch lange nicht in unserer Kontaktreichweite. Selbst der Austausch von Signalen, die sich mit Lichtgeschwindigkeit bewegen, würde pro Weg 10.000 Jahre brauchen: Die Antwort auf eine Frage würde jeweils 20.000 Jahre später eintreffen. Spontane Chats mit dem anderen Planeten sind also nicht möglich.

Dazu kommt die Frage nach der Motivation für eine solche Reise. Natürlich würde eine fortschrittliche Spezies das All erkunden, wenn die Technik es erlaubt. Mehrere hunderttausend oder sogar Millionen Jahre stur in eine Richtung zu fliegen, nur um vielleicht eines Tages die Erde zu finden, dürfte einer intelligenten Zivilisation ziemlich dumm erscheinen, da es schon im deutlich engeren Umfeld des Heimatsonnensystems eine Menge zu entdecken und zu tun gibt.

Außerdem kann man nicht einfach voraussetzen, dass eine hochentwickelte Spezies die Anforderungen für eine solche Reise erfüllen würde. Lebenserhaltung für die Crew, die im Optimalfall unsterblich sein müsste, sowie dauerhafte Treibstoffversorgung, dazu die unzähligen Risiken, die eine so lange Reise mitten durchs All mit sich bringt – die Spezies müsste wirklich sehr weit fortgeschritten sein, schon fast auf Kultur-Niveau, um so etwas zu bewerkstelligen.

Fun Fact: Überträgt man das obige Beispiel Köln – Hamburg auf universelle Maßstäbe, so wäre unser Nachbar wahnsinnige 1,4 Milliarden Lichtjahre entfernt. Damit wird klar, dass weite Teile des Alls nicht einmal mit exorbitanten Geschwindigkeiten wie 0,5 c (halbe Lichtgeschwindigkeit) nur annähernd per Raumschiff entdeckt werden könnten, zumindest nicht nach den Gesetzen der uns bekannten Physik.

 

#3 – Kommunikationsreichweite ebenfalls zu begrenzt

Und da schon die Unmöglichkeit eines Chats angesprochen wurde: Wir reden die ganze Zeit von direkten Reisen zwischen den Planeten per wtf/omg-Raumschiff. Für den Anfang würde uns aber auch eine Kontaktaufnahme oder zumindest die Entdeckung aus der Ferne reichen.

Doch auch hier stoßen wir schnell an sehr enge Grenzen, denn unsere Kommunikationsreichweite ist ziemlich klein. SETI (Search for Extra-Terrestrial Intelligence) befasst sich seit den Sechzigern mit Signalen aus dem All, seit derselben Zeit sendet METI (Messaging to Extra-Terrestrial Intelligence, auch als Active SETI bekannt) wiederum Signale ins All. Die ausgehenden Signale haben damit eine Reichweite von nur 50 Lichtjahren; um heute eine Antwort auf eines dieser Signale zu erhalten, dürfte die andere Zivilisation nicht weiter als 25 Lichtjahre entfernt sein. Eingehende Signale können zwar von sehr viel weiter draußen herkommen, doch dann stellt sich das Problem der zeitlichen Überschneidung (siehe nächster Punkt – #4), da wir unsere Ohren erst seit 50 Jahren ins All richten.

Und selbst falls das Timing perfekt wäre, so ist noch lange nicht gesagt, dass wir überhaupt auf derselben Frequenz funken würden. Fortgeschrittene Spezies würden vielleicht ganz andere Technologien nutzen, neben denen unsere METI-Signale wie Rauchzeichen aus der fernen Steinzeit wirken würden. Dazu gibt es viele reale Beispiele: So war es noch vor 15 Jahren wegen verschiedener Frequenzbänder nicht einmal möglich, mit einem deutschen Handy das Telefonnetz der USA zu nutzen. Die Technologie-Differenzen zwischen verschiedenen Weltraum-Spezies könnten deutlich größer sein. Das ist ungefähr so, als würde man ein mittelalterliches Telegramm in das Blu-ray-Laufwerk eines MacBooks schieben: Das Medium erreicht sein Ziel physikalisch, aber mehr auch nicht, da das Blu-ray-Laufwerk gar nicht auf die Idee kommt, die Informationen des Briefs auszulesen – es nimmt sie nicht einmal als solche wahr.

Der fröhliche Space-Chat scheitert also an unserer kurzen Kommunikationsreichweite und / oder an verschiedenen Wellenlängen.

Davon abgesehen stellen viele Experten die berechtigte Frage, ob unser Vorgehen überhaupt klug ist. Schließlich weiß man rein gar nichts über die Gesinnung möglicher Signalempfänger, sodass selbst Stephen Hawking die METI-Aktivitäten kritisiert und vor den Konsequenzen warnt. Denn mit nur etwas Pech zieht man die Aufmerksamkeit einer überlegenen, aggressiven Spezies auf sich, die sich dafür bedankt, dass wir uns freiwillig auf den Präsentierteller gelegt haben. Ein Fettnäpchen ganz nach menschlicher Manier, und zwar eines mit schwerwiegenden Folgen.

 

#4 – Die zeitliche Überschneidung: Es hat einfach nicht gepasst

Neben der Distanz ist auch die Notwendigkeit der zeitlichen Überschneidung ein Problem. So wäre es möglich, dass eine Alien-Patrouille bereits vor 20.000, 500.000 oder 2 Millionen Jahren an der Erde vorbeikam, dort aber nichts Interessantes gesehen hat und einfach weitergeflogen ist. Unsere Zivilisation ist schließlich gerade einmal 6.000 Jahre alt, der erste moderne Mensch spazierte vor 120.000 Jahren durch die Landschaft und war damals aus dem All nicht gerade gut sichtbar. Eine fortschrittliche Spezies, die nicht jeden anderen bewohnten Planeten zerstören oder erobern will, hätte noch vor wenigen tausend Jahren schlichtweg keinen Grund gehabt, sich die Erde genauer anzusehen.

Ein Angriff, wie man ihn aus zahlreichen Filmen und Büchern kennt, müsste schließlich eine spezielle Motivation haben – gerade eine intelligente Spezies würde nicht blindwütig morden, sondern nur wegen einem der üblichen Motive angreifen:

  • um den Lebensraum selbst zu nutzen
  • um potenzielle Konkurrenten frühzeitig auszuschalten
  • um Ressourcen zu plündern

Allerdings: Eine fortschrittliche Spezies hätte wahrscheinlich keinen Bedarf an Lebensraum, vor allem, wenn er so weit entfernt ist, und ob sie uns überhaupt als Konkurrenz sehen würde, ist auch sehr fraglich.

Und auch unsere Ressourcen sind vermutlich kein Argument für einen Angriff: Eine Alien-Spezies, die so hochentwickelt ist, dass sie weite Strecken durch das Universum absolvieren kann, könnte sämtliche Ressourcen vermutlich deutlich näher am Heimatplaneten abbauen (ganz zu schweigen von den Möglichkeiten durch Nanotechnik oder der Energieversorgung durch Dyson-Sphären). Alles andere wäre logistisch nicht gerade effizient und man kann davon ausgehen, dass eine so fortschrittliche Spezies zu genauen Kalkulationen in der Lage ist.

Das Problem der zeitlichen Überschneidung wird besonders gut deutlich, wenn man es visualisert. Auf der Zeitachse des Universums ist die Existenzspanne des Menschen nicht einmal ein Pixel. Selbst in der Geschichte der Erde taucht der Mensch nur am Rande auf:

Zeitachse Erdgeschichte

Offensichtlich: Zuerst passierte lange Zeit nichts, dann immerhin etwas, dann kamen die Dinos und dann ging alles sehr schnell.

Das Universum ist allerdings knapp dreimal so alt wie die Erde, nämlich 13,8 Milliarden Jahre. Es könnte also auch sein, dass der Ort, an dem sich unser Sonnensystem befindet, bereits erkundet wurde, als es noch gar kein Sonnensystem gab. An Planeten mit entsprechendem Alter mangelt es nämlich nicht: Unser Sonnensystem gilt im kosmischen Vergleich als relativ jung, was bedeutet, dass es etliche deutlich ältere Galaxien gibt. Intelligentes Leben aus solchen Gefilden könnte uns nicht nur um Millionen, sondern sogar um Milliarden Jahre voraus sein. Eine Spezies auf diesem Niveau könnte zwar weite Teile des Universums erkundet haben, allerdings könnte auch sie nicht zu jeder Zeit an jedem Ort sein – und da die Menschheit erst seit extrem kurzer Zeit existiert, und zwar in einem unvorstellbar großen Universum, ist ein zufälliger Kontakt ziemlich unwahrscheinlich.

Auch dazu wieder eine Analogie: Die Zeitspanne der menschlichen Zivilisation passt ganze 2,3 Millionen mal in die Zeitspanne des Universums, das entspricht bescheidenen 0,00004 Prozent der Gesamtzeit, und zwar nicht irgendwo auf dieser Achse, sondern ganz am Schluss. Rechnet man diesen Anteil auf die bisher vergangene Lebenszeit eines aktuell 30-jährigen Menschen um, wäre das eine Zeit von etwas weniger als 7 Sekunden.

Das Fermi Paradoxon wird hier also ganz einfach beantwortet: Es gibt fortgeschrittene Spezies, die bereits in unserer Gegend unterwegs waren, aber das Timing war einfach schlecht.

 

#5 – Warum auch nicht: die freiwillige Isolation

Eine weitere Möglichkeit ist die freiwillige Isolation. Annahme: Nicht jede fortschrittliche Spezies ist scharf darauf, andere Spezies kennenzulernen. Dafür kann es verschiedene Gründe geben:

  • naturgegebene Vorsicht
  • kein Interesse wegen „nicht jeder ist so neugierig wie wir“
  • kein Interesse wegen „schlechte Erfahrungen in der Vergangenheit“
  • kein Grund zur Erkundung, da alles Notwendige (Energie, Ressourcen, Lebensräume) in der nahen Umgebung zu finden sind

Fakt ist, dass die Isolation ein sehr wirkungsvolles Mittel ist, um nicht in Kontakt mit anderen Spezies zu treten. Wir Menschen machen das bereits seit vielen Jahren, wenn auch unfreiwillig, und siehe da: Bislang gab es keinen Ärger mit Außerirdischen.

Wer seine Fühler nicht ins All ausstreckt, der verringert die Chance, entdeckt zu werden, und falls eine Spezies mit den Ressourcen ihres Planeten gut auskommt, gibt es gute Gründe, einfach zuhause zu bleiben. Nahegelegene Planeten oder Himmelskörper könnten trotzdem genutzt werden, sei es zur Kolonisierung oder zum Ressourcenabbau, denn angesichts der gewaltigen Distanzen im Universum ändern ein oder zwei benachbarte Außenposten kaum etwas an der Sichtbarkeit.

Das würde auch erklären, warum unsere METI-Nachrichten nicht beantwortet werden, falls sie von einer anderen Zivilisation aufgefangen werden würden: Man hätte schlicht kein Interesse, sich zurückzumelden, und sieht man sich das Treiben auf der Erde etwas genauer an, dann ist das auch verständlich.

 

#6 – Die Filtertheorie: Segen oder Untergang

Die Filtertheorie besagt, dass es im Lauf der Entwicklung einige besonders kritische Momente gibt – die sogenannten Filter, an denen sich entscheidet, ob die Zivilisation (bzw. die Lebensform) weiter existiert oder untergeht. Es gibt kleine und große Filter, und während die kleinen Filter zwar schmerzhaft sein können, aber nicht zur Auslöschung der Spezies führen, tut ein großer Filter genau das.

Angenommen, es gibt einen großen Filter, gibt es genau zwei Möglichkeiten:

  1. Wir haben ihn schon hinter uns (sehr wünschenswert)
  2. Er liegt noch vor uns (sehr unwünschenswert)

In beiden Fällen wäre die Filter-Theorie eine Lösung für das Fermi Paradoxon, abhängig von der Variante ergeben sich jedoch verschiedene Szenarien für die Weltallbevölkerung.

 

1. Großen Filter schon früh überstanden: Hallo Zukunft!

Der große Filter könnte in allen möglichen Entwicklungsstadien vorkommen. Und damit auch in den sehr frühen: zum Beispiel beim Übergang von Ein- zu Mehrzellern. In diesem Fall hätten wir den großen Filter ganz bequem bereits von den fernen Vorfahren erledigen lassen, und zwar vor Milliarden Jahren. Sollte der große Filter mit seiner vernichtend hohen Durchfallquote tatsächlich schon lange vor der Entwicklung höheren Lebens zuschlagen, wäre das Weltall voll mit Planeten, auf denen primitives Leben existiert, doch höheres oder sogar intelligentes Leben wäre eine echte Rarität. Und angesichts der Größe des Universums wäre es logisch, dass die wenigen intelligenten Zivilisationen, die den großen Filter ebenfalls überstanden haben, noch nicht zueinander gefunden haben. Denn dann treten die Fermi Antworten #3, #4 und #5 in Kraft.

 

2. Der große Filter steht noch aus: Adios, Zukunft!

Falls uns der große Filter noch bevorsteht, spricht nichts dagegen, bereits jetzt mit den Memoiren anzufangen. Denn das Ende wäre dann praktisch beschlossene Sache: Es gibt keinen Grund, warum unsere Chancen, den großen Filter zu überstehen, besser sein sollten als die der anderen Zivilisationen. Ein großer Filter im späteren Stadium einer Zivilisation würde bedeuten, dass es wahrscheinlich auch andere Zivilisationen auf unserem Niveau gab, gibt und geben wird, aber dass es 99,99999 Prozent von ihnen nicht über den Filter geschafft haben / nicht schaffen werden.

Trotzdem wäre es schön zu wissen, wie ein solcher großer Filter aussehen könnte.

Künstliche Superintelligenz als großer Filter – und als Lösung für das Fermi Paradox

Nicht wenige Wissenschaftler vermuten, dass die Künstliche Superintelligenz ein großer Filter sein könnte. Sollte diese sich nämlich als feindselig entpuppen, wäre sehr schnell Schluss mit lustig. Diese Erfahrung hätten dann bereits auch viele andere Zivilisationen gemacht und im Anschluss das Zeitliche gesegnet.

Allerdings: Sollte eine KI der Filter sein, müsste das Universum allerdings bereits voll mit Künstlichen Superintelligenzen sein, und zwar mit solchen, die bereits mindestens einmal feindselig agiert haben. Da eine Superintelligenz in der Lage sein sollte, sich in rasender Geschwindigkeit weiterzuentwickeln, würde sie nach relativ kurzer Zeit einen großen Aktionsradius im Universum haben – und dann eines Tages auch den schönen blauen Planeten entdecken.

Ein Rechenbeispiel dafür liefern die Von Neumann Sonden. Diese sind deutlich cooler als sie sich anhören und spielen eine wichtige Rolle bei der Einschätzung der Größenordnung.

Eine Von Neumann Sonde besitzt folgende Fähigkeiten:

  • Sie kann zu anderen Planeten reisen…
  • …und dort eine exakte Kopie von sich selbst erstellen.

Die Kopie besitzt dieselben Fähigkeiten wie das Original und wird nach Fertigstellung zum nächsten Planeten geschickt, wo sie dasselbe tut – nämlich sich replizieren und die Repliken zu anderen Planeten schickt.

Mit dieser Fähigkeit zeigt die Von Neumann Sonde, wie lange es dauern würde, um sich im Weltall auszubreiten:

  • jede Sonde erstellt auf dem neuen Planeten zwei exakte Kopien von sich selbst
  • diese reisen jeweils zu einem weiteren Planeten und erstellen dort wiederum zwei Kopien
  • da die Sonden recht komplex sind und nicht zaubern können, nimmt man an, dass jede Replikation 100 Jahre dauert
  • In diesem Fall gäbe es nach 10.000 Jahren 2100 dieser Sonden. Das ist eine Zahl mit 30 Nullen.

Allerdings muss noch die Reisezeit zwischen den Planeten mit eingerechnet werden. Je nach Geschwindigkeit der Sonde dauert es viele (sehr viele) Jahre, vielleicht sogar Millionen Jahre, bis der nächste Planet erreicht ist. Da eine fortgeschrittene Zivilisation allerdings schon seit Millionen oder Milliarden Jahren existieren könnte, hätte sie mithilfe der Von Neumann Sonden beachtliche Bereiche des Universums entdecken und bevölkern können.

Dass wir davon bislang nichts gesehen haben, führt zur Vermutung, dass es eine solche Zivilisation einfach nicht gibt. Doch das ist nicht in Stein gemeißelt, wie die Antworten #8 und #9 zeigen werden.

Bei einer KI als großer Filter kann es sich übrigens auch um eine fremde KI handeln. Sie war bloß noch nicht hier oder hat es noch nicht für nötig gehalten, uns auszulöschen, vielleicht weil unsere KI-Bestrebungen noch so bescheiden sind, dass die fremde Superintelligenz sie nicht als Gefahr sieht. Falls sich diese Meinung ändert, könnte es Ärger geben, und auch das wäre logisch, denn eine KI möchte stets ihren „First Mover Advantage“ bewahren, und das geht am besten durch die Ausmerzung von heranwachsender Konkurrenz.

Das Szenario „Superintelligenz ist großer Filter“ impliziert also, dass bereits mindestens eine „böse“ KI programmiert wurde. Daraus ergeben sich folgende Möglichkeiten:

  1. Selbst die Superintelligenz hat uns noch nicht gefunden, weil sie zu weit weg ist.
  2. Die Superintelligenz hat uns bereits auf dem Radar, beseitigt uns aber erst, wenn wir ein technologisches Niveau erreichen, auf dem wir zur potenziellen Gefahr werden.

Vor allem Möglichkeit 1 ist spannend: Wenn bereits eine mächtige KI existiert und sie aufgrund der Distanz nicht verhindern kann, dass wir ebenfalls eine mächtige KI erschaffen, könnte es eines Tages zum Duell der KIs kommen, ausgetragen im Weltall, ausgestattet mit unvorstellbaren technischen Mitteln. Dieser Konflikt wäre von ziemlich großer Tragweite und Hollywood würde sich direkt an die Arbeit machen – falls unsere KI uns dann nicht schon längst vernichtet hat.

Kosmische Katastrophen als großer Filter

Doch die Superintelligenz ist nicht die einzige Option für einen späten großen Filter. Kosmische Katastrophen haben ein ähnliches Zerstörungspotenzial:

1. Gammablitze

Gammastrahlenausbrüche wurden bei techPaladin bereits mehrmals erwähnt, und das aus gutem Grund, denn verglichen mit ihnen sind viele anderen kosmische Gefahren nicht mehr als ein Mückenstich. 2013 beobachtete man den bislang größten Ausbruch dieser Art – aufgenommen passenderweise durch das Fermi Weltallteleskop. Mit einer Energie von rund 100 Milliarden Elektronenvolt war der Gammablitz der stärkste, der jemals gemessen wurde und wir können froh sein, dass er sich zwischen den Sternbildern Löwe und Großer Bär ereignete, und nicht in unserer Nähe.

Fermi Teleskop Gammaray Bubble Milky Way Galaxy

Eine sogenannte Gammastrahlenblase in der Milchstraße aus Sicht des Fermi Teleskops. ( © NASA / Goddard Space Flight Center SVS)

 

Gammablitze von tödlichem Ausmaß treffen die Erde historisch gesehen alle paar hundert Millionen Jahre, was ein beruhigend großer Zeitraum ist. Allerdings ist der letzte Gammablitz in unserer Nähe bereits mehrere hundert Millionen Jahre her, was ein beunruhigend großer Zeitraum ist. Immerhin gehen Wissenschaftler davon aus, dass die Zahl der Gammastrahlenausbrüche insgesamt abnimmt, und dadurch werden auch die Abstände größer. In nächster Zeit darf man also relativ beruhigt in den Himmel schauen, denn akut ist diese Art der Bedrohung eher nicht.

 

2. Asteroiden

Die Gefahr durch Asteroiden ist aus zahlreichen Filmen bekannt, spätestens seit Armageddon weiß jeder, dass die umherfliegenden Riesensteinbrocken ziemlich gefährlich sind. Die Dinosaurier können ebenfalls ein Lied davon singen. Was dagegen nicht so viele Menschen wissen, ist die hohe Anzahl der Asteroiden, die uns bedrohlich nahe kommen.

Asteroid Erde

Asteroid besucht Erde: Sieht schön aus, ist es aber nicht. (© NASA / JPL)

Seit Jahren beobachten die Weltraumagenturen das All und erkennen frühzeitig, wenn der Kurs eines Asteroiden nah an der Erde vorbeiführt. Aktuell beobachtet die NASA über 500 Asteroiden, von denen die meisten keine potenzielle Gefahr darstellen. Für 2014-YB35 galt das jedoch nicht: Der Asteroid mit 500 m Durchmesser flog erst letztes Jahr 4,5 Millionen Kilometer an der Erde vorbei. Größe und Distanz klingen harmlos, doch das stimmt nicht:

  • 4,5 Millionen Kilometer sind gerade mal 0,00000048 Lichtjahre, oder auch: die 11-fache Distanz zwischen Erde und Mond. Also keine Marathondistanz aus galaktischer Perspektive.
  • Ein Asteroid würde mit extrem hoher Geschwindigkeit auf der Erdoberfläche einschlagen. Die Kraft des Einschlags ergibt sich aus Impuls = Geschwindigkeit x Masse. Ein 500 m großer Asteroid wäre ziemlich schwer und da er außerdem sehr schnell wäre, folgt ein spürbarer Impuls. Und dann geht erst der richtige Spaß los: Stürzt der Asteroid ins Wasser, können sich die Küstenregionen auf beachtliche Flutwellen gefasst machen, neben denen der 2004er Tsunami wie ein kleiner Versager aussieht. Einen solchen Vorfall gab schon mehrmals in der Erdgeschichte, zum Beispiel vor rund 2,5 Millionen Jahren. Der Eltanin Asteroid schlug im Südostpazifik ein, und zwar mit einer Geschwindigkeit von 20 km/s. Das entspricht 72.000 km/h und da Eltanin geschätzt zwischen 1 und 2 km Durchmesser besaß, schätzt man die Wellenhöhe auf bis zu 100 Meter oder mehr. 2004 waren die Wellen bis zu 35 Meter hoch, und schon das hat für eine Jahrhundertkatastrophe ausgereicht.
  • Prallt der Asteroid auf Land, wäre der resultierende Krater das kleinste Problem, denn es würde so viel Masse in die Atmosphäre gewirbelt werden, dass der Himmel über Jahrzehnte dunkel wird – das Sonnenlicht würde kaum noch durchkommen. Eine finstere Eiszeit wäre die Folge, das Überleben der gesamten Flora und Fauna ernsthaft in Gefahr; in jedem Fall wäre der technologische Fortschritt vorerst gestoppt, da sich die Prioritäten verschieben würden. Immerhin wäre die Erderwärmung kein Thema mehr, und viele würden das als Zeichen von oben sehen.

Allerdings sind Asteroiden beim heutigen technischen Stand kein wirklicher Kandidat für einen großen Filter. Ihre Flugbahnen werden Jahrzehnte im Voraus entdeckt, ein Überraschungseinschlag ist also nicht möglich, und es gibt Möglichkeiten, einen gefährlichen Körper mittels Raumsonde von ihrer Bahn abzulenken. Dank der langen Reisezeit reicht schon eine Flugbahnveränderung von weniger als einem Grad, um die Bahn entscheidend zu verändern. Eine Atombombe wie bei Armageddon ist also nicht nötig.

 

Warum keine Nachrichten gute Nachrichten sind

Obwohl die genannten möglichen großen Filter nicht gerade wahrscheinlich klingen, wäre es trotzdem gut, wenn wir diesen Filter schon hinter uns haben. In der Hoffnung, dass wir den großen Filter bereits hinter uns haben, formulierte Nick Bostrom (mehr über Bostrom folgt im nächsten Punkt – #7) den Satz: „Keine Neuigkeiten sind gute Neuigkeiten“. Damit sind Meldungen über Beweise extraterrestrischen Lebens gemeint. Sollte man beispielsweise auf den Planeten unseres Sonnensystems, allen voran auf dem Mars, Zeichen von früherem Leben finden, wäre das sehr schlecht, weil es die Wahrscheinlichkeit eines frühen großen Filters extrem senken würde.

So lange keine solchen Beweise gefunden werden, darf man sich weiter Hoffnungen machen, dass wir den großen Filter tatsächlich schon bewältigt haben. Den Rest wird die Zukunft zeigen.

 

#7 – Die Simulationshypothese: schwer vorstellbar, aber möglich

Die Simulationshypothese ist ziemlich aufgregend und kann sehr weit gesponnen werden. Sie ist für viele Fermi Fans das Highlight unter den Antworten auf das Fermi Paradoxon, weil sie ebenso irrsinnig klingt wie sie ernstzunehmen ist.

Simulation

Alles nur ein verrückter Film? Eine von vielen Simulationen? (© Laury Rouzé via flickr)

 

 

Bleibt man bei den Naturwissenschaften, muss man der Hypothese zumindest eine gewisse Wahrscheinlichkeit einräumen. Sie beantwortet das Fermi Problem folgendermaßen:

Wir sind alleine, da wir in einer Simulation leben, in der entweder keine extraterrestrischen Kontakte existieren, weil diese schlicht nicht einprogrammiert wurden, oder weil es tatsächlich keine anderen Zivilisationen gibt.Simulationshypothese

Die Simulationshypothese geht auf ein Gedankenmodell des schwedischen Philosophen Nick Bostrom zurück, der unter anderem mit seinen Werken zur Künstlichen Intelligenz bekannt geworden ist. Der Gedankengang zur Simulationshypothese basiert auf einem Trilemma mit folgenden Elementen:

  1. Das technologische Niveau, um detailgetreue Simulationen durchführen zu können, wird von keiner Zivilisation erreicht, da diese sich auf dem Weg dorthin auslöscht / ausgelöscht wird.
  2. Es existieren fortgeschrittene Zivilisationen, die zu solchen Simulationen in der Lage wären, diese jedoch nicht umsetzen.
  3. Wir leben in einer Simulation.

Die beiden ersten Punkte sind Ausschlusskriterien für die Simulationshypothese, doch falls sie sich als nicht wahr erweisen, könnte man die Aussage 3 „Wir leben in einer Simulation“ folgendermaßen herleiten:

Basis-Annahme: Es gibt (mindestens) eine höhere Zivilisation, die solch komplexe Simulationen wie unsere Welt programmieren kann (logische Folge aus „Punkt 1 & 2 sind nicht wahr“)

Daraus folgt: Eine solche Zivilisation würde wahrscheinlich viele weitere Simulationen laufen lassen.

Daraus folgt: Die Zahl der in Simulationen lebenden Individuen wäre sehr viel größer als die der realen Individuen.

Daraus folgt: Es ist wahrscheinlicher, dass wir in einer Simulation leben, als in der „echten“ Welt.

Schlussfolgerung: Gemäß der Wahrscheinlichkeitsrechnung leben wir in einer Simulation.

Einfach zusammengefasst könnte man das auch anders formulieren: Entweder, es gibt keine Zivilisation auf diesem Niveau, oder wir leben in einer Simulation.

Eine ebenfalls von Bostrom entwickelte mathematische Gleichung bestätigt diese Herleitung.

Sollten wir tatsächlich in einer Simulation leben, stellt sich natürlich die Frage, wo überhaupt die Grenzen zwischen den Welten bzw. Dimensionen verlaufen, und noch viel wichtiger, ob diese Grenzen von Bedeutung sind. Die Kultur, die Superzivilisation von Iain Banks, geht sogar so weit, dass sie das Abschalten von erstellten Simulationen als Massenmord definiert, da die simulierten Wesen aufgrund ihres Wesens inklusive Gefühle, Lebenswille und Ich-Bewusstsein als vollwertige Geschöpfe gelten. Folglich ist die Abschaltung von Simulationen in dieser Science Fiction Utopie verboten – und die Simulationswesen leben für immer weiter, ohne jemals zu erfahren, dass sie in einer Simulation leben. Erinnerungen an Matrix werden wach, auch wenn die Menschen dort nur per Maschine in eine Simulation versetzt werden – in Bostroms Hypothese dagegen existieren wir einzig in der Simulation, und nicht in echt.

Womöglich handelt es sich bei der Superzivilisation, die unsere Simulation laufen lässt, sogar um die Menschheit selbst, die in der Realität bereits weit fortgeschritten ist und unsere Simulation nur aus Spaß durchspielt, oder im Geschichtsunterricht, oder zur Beantwortung wissenschaftlicher Fragen. Es wäre schließlich möglich, dass diese Super-Menschheit unter ganz anderen Bedingungen als den uns bekannten entstanden ist und nun herausfinden möchte, wie der Fortschritt unter unseren irdischen Konditionen verlaufen wäre. Beispiele dafür:

  • Die Super-Menschen sind im Durchschnitt 4 Meter groß und auf einem Planeten mit 50 Prozent unserer Gravitation aufgewachsen. Außerdem gab es dort keine Braunkohle, dafür aber Erdöl im Überfluss. Sie möchten nun per Simulation herausfinden, ob die Entwicklung unter anderen Rahmenbedingungen in einem ähnlichen Tempo verlaufen wäre.
  • Die Super-Menschen haben einen Durchschnitts-IQ von 300 (gemessen an unserer IQ-Skala). Sie möchten nun per Simulation herausfinden, ob es mit niedrigerer Basisintelligenz möglich gewesen wäre, die Schwelle zur Künstlichen Superintelligenz zu erreichen.
  • Die Super-Menschen sind eingeschlechtlich – Paarung gibt es somit nicht, die Fortpflanzung erfolgt unisexuell (Parthogenese). Sie möchten nun per Simulation herausfinden, inwiefern die ganze Mann-Frau-Sache Einfluss auf den Lauf der Dinge nimmt.
  • Die Super-Menschen sind von Natur aus extrem friedfertig. Sie möchten nun per Simulation herausfinden, ob ein kriegerisches Naturell den Fortschritt eher beschleunigt oder verlangsamt.
  • Die Super-Menschen wurden relativ früh von einer freundlichen, fortschrittlichen Zivilisation entdeckt und auf ein höheres technologisches Niveau gebracht. Sie möchten nun per Simulation herausfinden, ob der Sprung zur Weltraumkolonialisierung auch ohne fremde Hilfe möglich wäre und wie lange er dauern würde.

Diese Liste ließe sich unendlich fortsetzen und es wird klar, dass es etliche interessante Gründe gäbe, uns zu simulieren.

Bei der Einordnung von Simulationen muss auch die Relativität der Zeit beachtet werden. So kann es sein, dass unsere Simulation, die nun bereits mehrere Milliarden Jahre andauert (oder zumindest mehrere 10.000 Jahre, je nach Startpunkt), in der Dimension des Simulators nur einige Stunden, Tage, Wochen oder Monate dauert. Dass Zeit relativ ist, wurde einem größeren Publikum spätestens im Film Interstellar vor Augen geführt, und in Science Fiction Romanen wie „Das Unsterblichkeitsprogramm“ von Richard F. Morgan gilt das ganz besonders für virtuelle Realitäten.

 

#8 – Physikalische Welt ist nur für Anfänger

Genau wie bei der Simulationshypothese setzt man bei dieser Annahme eine extrem fortschrittliche Alien-Spezies voraus. Diese hat einen so hohen Status erreicht, dass sie gar kein Interesse mehr daran hat, durchs All zu fliegen und mit anderen Zivilisationen in Kontakt zu treten. Durch Tech-Errungenschaften wie Dyson-Sphäre und Matroshka-Gehirne könnten sie es sich ziemlich gemütlich machen und wären wunschlos glücklich; womöglich würden solche Spezies in virtuellen Welten leben und die Realität nur zum Betrieb der Computer nutzen.

Die Antwort auf das Fermi Paradox würde sich dann folgendermaßen ableiten: Alle Zivilisationen verlieren ab einem gewissen Punkt das Interesse an der physikalischen Welt und sind deswegen gar nicht auf Erkundungstour im All unterwegs, obwohl sie es könnten.

 

#9 – Wir sind aus Fleisch – und auch das ist nur für Anfänger

Noch einen Schritt weiter als #8 geht die Theorie, dass Zivilisationen ab einem bestimmten Level überhaupt nichts mehr mit der für uns realen Welt zu tun haben, und zwar nicht nur hobbymäßig, sondern so richtig. Dieser Gedanke wurde bereits von vielen Science Fiction Autoren aufgegriffen, etwa von Vernor Vinge oder noch früher von Perry Rhodan in den Sechzigern. Über eine posthumane Existenz gibt es nicht viel zu sagen, da ein solcher Zustand für uns in keinster Weise vorstellbar ist. Die menschliche Vorstellungskraft stößt hier an ihre Grenzen, doch immerhin verlangt die menschliche Vernunft, das Unvorstellbare zumindest in Erwägung zu ziehen. Der Blick über den Tellerrand hinaus verwässert an dieser Stelle, zusammenfassend bedeutet das: In der Zukunft könnte irgendetwas existieren, das wir aktuell noch nicht begreifen können.

Im Kulturzyklus von Iain Banks ist das übrigens Realität. Zivilisationen entwickeln sich immer weiter, bis sie das All bevölkern und praktisch für alle Probleme eine Lösung haben, und danach erfolgt die kollektive Sublimation. Das Sublime wird als eine Art metaphysische Wolke beschrieben, abgetrennt von der physikalischen Ebene, und ist das Endstadium allen Seins. Möglich, dass eine oder mehrere uralte Zivilisationen einen ähnlichen Schritt gegangen sind, nachdem sie sich so hoch entwickelt hatten, dass es langweilig wurde.

Die Antwort auf das Fermi Paradox ist dann immerhin ganz einfach: Wir haben keinen Kontakt, weil die anderen schon längst weg sind. (Die Begründung aus #4 greift hier erneut, denn als die Superzivilisation noch in der echten Welt unterwegs war, gab es uns noch gar nicht.)

 

#10 – Muss leider sein: Die Regierung hält alles geheim

Dieser Titel sagt bereits alles. Da alle Antworten auf Fermis Frage nur Vermutungen sind, muss man alle Theorien miteinbeziehen. Dazu gehört auch, dass es vielleicht schon längst Beweise für außerirdisches Leben gab bzw. gibt, diese jedoch unter Verschluss gehalten werden. Von wem auch immer: In den meisten Filmen handelt es sich dabei natürlich um die US-Regierung, aber genauso gut könnten es andere fortschrittliche Länder sein. Akte X hat dieses Thema schon in den 90ern behandelt, auch Roswell ist ein Buzzword unter Alien-Fanatikern.

Immerhin gäbe es nachvollziehbare Gründe für die Geheimhaltung:

  • es soll keine Massenpanik ausbrechen
  • die Regierung möchte die Alien-Technologie zu ihrem eigenen Vorteil nutzen
  • die Beweise sind noch nicht ausreichend erforscht, um sie der Öffentlichkeit zu präsentieren

Ob es sich dabei um plumpe Verschwörungstheorien oder einen berechtigten Verdacht handelt, können Normalbürger nicht beantworten. In jedem Fall stecken weder Innovation noch Faszination in dieser Theorie und die unscharfen, verwackelten YouTube-Videos, die die Existenz fliegender Untertassen beweisen sollen, tragen nicht gerade dazu bei, weitere Anhänger zu gewinnen. Kornkreise und andere vermeintliche Alien-Beweise fallen in dieselbe Kategorie.

 

Fermi Fazit: alles und nichts dicht beieinander, es bleibt spannend

Abschließendes Roundup zum Abschluss:

Wir wissen, dass wir nichts sicher wissen, aber dank unserer Vorstellungskraft können wir uns Dinge ausmalen, die alle Vorstellungen übertreffen.

Das Fermi Paradoxon ist ein All-you-can-eat-Menü für Träumer, Science Fiction Fans und Visionäre, doch auch die allgemeine Bevölkerung kann interessante Erkenntnisse daraus gewinnen. Aus diesem Grund ist das Fermi Paradoxon seit Jahren ein populärwissenschaftlicher Hit, über den bereits viel geschrieben wurde; eigene Gedanken zum Thema können trotzdem nie schaden, denn gerade bei solch spekulativen Themen sind neue Impulse immer willkommen. Klar ist: Manche Theorien sind plausibler als andere und mit fortschreitender Technologie werden einige Möglichkeiten noch Argumente dazugewinnen, während andere immer unwahrscheinlicher werden. Niemand kann vorhersagen, wann und ob wir definitive Antworten erhalten werden, doch vielleicht ist das auch ganz gut so, denn auf der Erde herrscht noch viel Optimierungsbedarf.

techPaladin setzt persönlich übrigens auf Fermi Antwort #2: Die unfassbare Größe des Universums ist nämlich keine vage Theorie, sondern ein Fakt, und zusammen mit weiteren Aspekten wie der schwierigen Entstehung von höherem Leben scheint es absolut nachvollziehbar, dass wir bislang keinen extraterrestrischen Kontakt hatten. Die kurze Zeitspanne der menschlichen Zivilisation kommt noch erschwerend dazu. Das schließt die Existenz von außerirdischem Leben keineswegs aus, denn gerade wegen der Größe des Universums fühlt es sich sehr wahrscheinlich an, dass es irgendwo noch andere fortgeschrittene Spezies gibt, und dieser Gedanke ist eher angenehm als störend, da er der ansonsten eher nüchternen Theorie eine gewisse Würze gibt.

Kommentar verfassen